Anti-Castor-Camp in Valognes 22.-24. Nov.
Posted: novembre 3rd, 2011 | Author: valognes | Filed under: Sur les rails, Texte in deutscher Sprache | Commentaires fermés sur Anti-Castor-Camp in Valognes 22.-24. Nov.Vom 22.-24. November wird in Valognes in Frankreich ein Camp gegen den den kommenden Castor-Transport organisiert. Hier findet ihr den übersetzten Aufruf und weitere Infos. Besucht den Blog http://valognesstopcastor.noblogs.org/ um weitere News mitzuverfolgen.
– Aufruf zum Camp in Valognes vom 22.-24. November 2011-
Die Katastrophe von Fukushima reiht sich ein in die lange Liste alltäglicher Schrecken der Atomkraft, aber es ist nicht mehr die Zeit, sich über diese Realität zu wundern. Was einigen als Alibi der Kontrolle und Verwaltung eines hochgezüchteten Lebens dient, erregt bei anderen ein Gefühl der Wut, die sich im vorherrschenden Fatalismus oder im verzweifelten Warten auf Wahlen nicht auflöst. Um aus dieser Ohnmacht auszubrechen bedarf es in der größten Atomantion der Welt einer starken, kollektiv getragenen Geste.
Kommenden November fährt der letzte Atommülltransport CASTOR (Cask for Storage and Transport of Radioactive Material) von La Hague in Frankreich nach Gorleben in Deutschland. Dies gibt uns eine Chance zu agieren. Die Frage des Atommülls ist das schwache Glied der Atomindustrie, und auffälligste Illustration des Skandals, den sie in ihrer Gesamtheit darstellt: Man weiß heute nicht besser als vor sechzig Jahren, wie man ihn loswird – er wird verfrachtet, um seine Halbwertszeit unter der Erde in Bure in Lothringen oder unter freiem Himmel in Sibirien zu fristen.
Der Transport im November 2010 war von einer starken Mobilisierung in Deutschland geprägt. Seit 15 Jahren kommt kein Zug ohne Hindernisse durch. Die Vielfalt der Blockadepraktiken erlaubt eine wahrhafte Störung entlang der gesamten Strecke, zum Beispiel: Wenn etwa 50.000 Menschen in Dannenberg demonstrieren, 400 Bäuer*innen im Wendland ihre Traktoren verkeilen, um die Konvois der Polizei zu blockieren und in Hitzacker 1400 Personen ungebeten auf den Gleisen auftauchen. Die Verzögerung des Konvois um vier Tage hat die Sicherung des Transports im vergangenen Jahr kostspieliger werden lassen als den Transport an sich.
Was wir vorschlagen ist daher, uns die bewährtesten Methoden der deutschen Anti-Atom-Bewegung anzueignen und die traditionelle Versammlung in Valognes mit einem zweitägigen Camp zu verstärken, von dem Aktionen und Reflexionen ausgehen. Bereits jetzt existieren lokale Kollektive, die sich in Folge von Fukushima konstituiert haben, als auch Leute, die sich in der Manche, in Mayenne, in Ille und Vilaine gegen das Projekt einer neuen Hochspannungsleitung organisieren. Wir rufen zu einer größtmöglichen Versammlung auf, um den CASTOR-Zug schon bei seinem Start zu blockieren – und warum nicht auch auf dem Rest seiner Reise. Nach der großen Demonstration in Rennes am 15. Oktober, bietet dies eine Möglichkeit, neuen Schwung in den Kampf zu bringen, die Anti-Atom-Bewegung in Frankreich zu beleben und, wer weiss, eines Tages zu siegen.
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Die Schließung des AKW in Fessenheim um 10 Jahre verschoben. Ein Präsident der Republik, der nicht sieht, wie die Katastrophe in Fukushima die französische Atomindustrie in Frage stellen könnte. Die Präsidentin von Arevai, just entlassen, die Zuflucht im Aufsichtsrat einer überregionalen « linken » Tagesseitung findet. Wie seinerzeit die Wolke von Tchernobyl, so scheinen auch die verheerenden Auswirkungen der Explosion von Fukushima auf den nuklearen Konsens wieder an Frankreichs Grenzen halt zu machen. Die irrsinnige Arroganz der französischen « Nukleokraten » ist grenzenlos. Deutschland beschließt den Atomausstieg: Nur ein « isolierter Fall ». Die Schweiz und dann Italien folgen den Schritt: Umso besser – verkaufen wir ihnen unsere Elektrizität. Noch ein bisschen und sie werden uns mit psychologischen Diagrammen erklären, dass, sollte Japan als nächstes seine AKWs abschalten, dies Folge eines vorübergehenden Übermaßes an Radiophobie ist.
Der Stoff der fadenscheinigen Erklärungen, ausgefallen Versprechungen und offenen Lügen, mit denen sich die Atomlobby über Wasser hält, zerreißt überall auf der Welt. Fukushima entlarvte vor aller Augen die unglaubliche Flickschusterei, auf den sich der alltägliche Betrieb eines AKW in dem « am weitesten technologisch fortgeschritten » Land reduziert. Wir können nicht länger ohne Boshaftigkeit den Rücktritt sämtlicher Verantwortlicher ignorieren, sobald der Unfall sich ereignet hatte; die Ohnmacht der japanischen Regierung, sich auch nur im mindesten den Konsequenzen zu stellen, die Dosimeter, die an Schüler*innen verteilt werden, um diese Ohnmacht wissenschaftlich zu verdecken, kurz: Die Unvereinbarkeit von Atomenergie mit der Tatsache, irgendwo auf dem Planeten Erde zu wohnen. Während alle Atomkraft befürwortenden wirtschaftlichen Argumente zusammenbrechen, lassen die hellsichtigsten Staaten dieses unkontrollierbare Monster hinter sich. Mit seinen Projekten EPRii und ITERiii, mit seinem MOXiv und seinen « Kollateralschäden », unter denen ganze Territorien außerhalb Europas leiden, erweckt Frankreich mehr und mehr den Eindruck eines Patienten im offenen Delirium, der gefährlich im Konzert der Nationen umherwandert. Wenn man sieht, wie der französische Staat seit Jahrzenten Milliarden verschwendet, würde man, handelte es sich um ein Individuum, sagen, dass er längst unter Pflegschaft gehört. Aber die nationale Leidenschaft für große Gerätschaften und neue Technologien, der Traum, eines Tages etwas anderes zu exportieren als Wein, Waffen und Autos, treffen an diesem Punkt auf die wohl verstandenen Interessen einer wirtschaftlichen Mafia, einer Sekte von Wissenschaftler*innen und Ingenieur*innen, die sich für eine Elite halten. Für die französische Atomlobby besteht die einzige Möglichkeit, der Strafe für all ihre bisherigen Verbrechen und Lügen zu entgehen darin, immer weitere und immer größere zu begehen. Falls die Bevölkerung eines Tages als Geisel genommen wurde, dann von diesen Leuten und von diesem Wahnsinn. Atomkraft in Frankreich ist ein Alptraum, aus dem uns Fukushima wecken sollte.
Um einen Anfang zu machen, gilt es das Scheitern der Grundannahmen zu erkennen, auf die sich die Anti-Atom Netzwerke der vorherigen Phase stützten:
1. Die Annahme, dass es ausreichen würde « zu informieren » und Druck auf Abgeordnete auszuüben, unzureichend angesichts der faktischen atomaren Bedrohung, wurde von Fukushima in Stücke geschlagen. Obwohl alle Welt weiß, dass die Umfragen wohl einräumen, dass 60 % der französischen Bevölkerung keine Atomkraft mehr wollen, ändert sich nichts. Dies heisst, dass das Problem der Atomkraft in Frankreich keine Frage von rationaler technischer Argumentation und Infortmationstrasparenz ist, sondern eine politische Frage des Kräfteverhältnisses. Wenn die deutsche Regierung, deutlich pro-Atomkraft, den Atomausstieg beschlossen hat, dann nicht aufgrund einer plötzlichen Erleuchtung der Vernunft, sondern dank der Kraft einer Bewegung, die handlugsfähig ist und erreicht hat, dass tausende von Menschen auf die Straße gehen.
2. Die historischen Anti-Atom-Kämpfe in Frankreich und anderswo haben noch nie einen Sieg davongetragen, es sei denn, sie verfügten über einen starken lokalen Einfluss. Darin besteht im Grunde der Unterschied zwischen Plogoff und Malville. Es erklärt auch die Langlebigkeit und intakte Stärke der deutschen Mobilisierung im Wendland gegen den Atommülltransport Castor. Also müssen wir lokal beginnen uns zu organisierten, und von dort aus in der Lage sein, all jene, die von anderswo kommen zur Unterstützung aufzurufen.
3. Das Problem der Atomkraft stellt sich nicht im Sinne von Risiken, die verwaltet und idealerweiste weitestgehend beseitigt werden müssen. Ein normales Funktionieren der Atomkraft und ihrer bedauerlichen Unfälle gibt es nicht. Wenn sich das Problem mit einer donnernden Katastrophe, periodisch bei uns in Erinnerung ruft, vergisst man darüber fast, dass die Katastrophe ebenso in ihrer Fehlfunktion besteht, wie in dem, was sie noch im reibingslosesten Ablauf verhindert. Die Atomkraft verstrahlt unsere Vorstellungskraft mindestens so sehr wie unsere Schilddrüsen. All unser Mögliches verdrückt sich unter dem maßlosen Schatten, den sie uns auferlegt. Derartige Infrastukturen, erstreckt über Tausende von Quadratkilometern, fordern eine Verwaltung und Organisation entsprechender Größenordnung. Ihre Gefährlichkeit bildet die Grundlage der perfekten Beherrschung der « Bevölkerungen », die in diesen Territorien leben. Die Atomkraft erzwingt eine globalisierte und befriedete Welt; sie realisiert daher das Ideal des Kredits über mehrere Generationen. Und ganz wie die Wirtschaft, erscheint die Notwendigkeit, sich davon zu verabschieden all jenen lebenswichtig, die im Fortbestehen jener Welt keinen wünschenswerten Horizont sehen.
4. Die Notwendigkeit sich der Atomkraft entgegenzustellen bedeutet nicht, dass man ihr « alternative Ernergien » entgegenstellen sollte; will man sich nicht an der Seite einer neuer industriellen Mafias wiederfinden, welche die Bauern von Pouilles und bald den Maghreb enteignet, um dort ihre absurden Solarenergiezentren zu bauen; und an der Seite der CEAv zu enden, die in der Zwischenzeit zur Kommission Alternativer Energien geworden ist. Die Trennungslinie verläuft nicht zwischen Atomkraft und alternativer Energie, sondern zwischen zentralisierter Energieproduktion, kommerziell und verwaltet von oben, und einer dezentralisierten Produktion, lokal kontrolliert und erneuerbar; einer Produktion im direkten Kontakt mit den Bedürfnissen, der sie gerecht werde soll. Nur in lokalem Maßstab zerfällt die Entscheidung Atomkraft oder Kerze: Weil sich dort die existierenden Bedürfnisse die Mittel der Produktion geben, die sie benötigt, und im Gegenzug die Möglichkeiten der Produktion die Bedürfnisse auf intelligente Weise neu definieren können. Es gilt, damit aufzuhören, die Energiefrage in nationalen Begriffen zu denken, sollte man vorhaben die Ohnmacht zu verlassen.
5. An welcher Strömung der Anti-Atomkraft-Bewegung wir uns auch beteiligen: Es gilt, damit aufzuhören, unsere kollektive Niederlage dieser oder jener anderen Strömung zuzuschreiben. Dieser Mechanismus der atavistischen Spaltung reinigt uns sicher von jeglicher Verantwortung, doch er verurteilt uns dazu, die Ursachen unserer Schwäche ewig zu wiederholen. Die Lehre, die uns von der deutschen Bewegung erreicht, besteht gerade darin, dass die verschiedenen Tendenzen auf einer praktischer Basis koexistieren können, jede mit ihrem eigenen Aktionsmodus. Von dem Moment an, da alle aufrichtig das gemeinsame Ziel verfolgen, die Atomkraft jetzt und aus eigener Kraft zu beenden, steht es niemand mehr zu, die Strategie der anderen zu verurteilen. Die Permanenz der Grabenkämpfe in Frankreich drückt nur die praktische Unzulänglichkeit der Bewegung aus. Es ist genau die Verschiedenenartigkeit, mit der auf Gesten des Kampfes in einem Territorium Bezug genommen wird, in der die Kämpfe im Wendland oder auch in Val de Susa (das italienische Tal gegen den Bau einer Hochgeschwingkeitszugstrecke) ihre Kraft gefunden haben.
Jetzt, da die Staaten sich verpflichten von der Atomkraft abzulassen, drängen wir mit Kraft auf den totalen und sofortigen Ausstieg. Lassen wir uns nicht von den Effekten von Regierungserklärungen täuschen, wie dem eines « verantwortungsbewussten » Ausstiegs aus der Atomkraft in 30 Jahren: es kann gut sein, dass dies für die Herrschenden nur ein Weg ist Zeit zu gewinnen, dass sie diese Entscheidung revidieren, sobald sich die Gelegenheit bietet und die Emotionen sich abgekühlt haben. Die Atomkraft hat ein dickes Fell. Insofern wir unser Leben nicht in die Hände irgendeines Herrschenden legen können, liegt die einzige Garantie für die tatsächliche Ausführung getroffener Entscheidungen genau in der Dauerhaftigkeit und der Kraft der Bewegung. Man hat genug mit unserem Leben gespielt. Wir lassen uns nicht im Rahmen der nuklearen Abrüstung verwalten, wie es mit unserer nuklearen Aufrüstung geschehen ist.
Wir treffen uns wieder vom 22. bis 24. November, um die Durchfahrt des Atommüllzuges CASTOR in Valognes zu blockieren.
Mehr Informationen auf dem Blog:
www.valognesstopcastor.noblogs.org
Die Details zum Camp werden auf dem Blog zu finden sein. Zögert nicht, uns für verschiedene logistische Beiträge, die jede*r oder jede Gruppe mitbringen kann, zu kontaktieren wie Kantinen, Zelte, Wasserfässer, Sani-Material, juristische Unterstützung, eigene Medien usw… Alles, was uns nützen kann.
Kontakt: valognesstopcastor @ riseup . net
Weitere Infos:
Autonomer Aufruf: http://www.castor2011.org/
Ticker: http://castorticker.de
http://www.castor.de
http://www.x-tausendmalquer.de
http://www.widersetzen.de
http://www.gorleben-castor.de
http://castor-schottern.net
http://castor-suedblockade.de
http://valognesstopcastor.noblogs.org/